Der Fintech-Hype hat sich in der Schweiz bereits etwas gelegt. Jüngst ist zu beobachten, dass es weniger sogenannte FinTech-Firmen gibt, die Firmen die es gibt aber tendenziell grösser sind. Man könnte auch sagen, dass eine gewisse Konsolidierung stattgefunden hat. Eine Art ungutes Gefühl, das nächste Kodak, Video-Verleih oder Nokia zu werden, ist aber nach wie vor vorhanden. Was, wenn das vertraute Stammgeschäft nicht mehr funktioniert? Was, wenn Nicht-Banken ertragsträchtige Geschäfte der Banken (ohne Banklizenz) anbieten können? Frei nach dem Motto, nichts ist so stetig wie der Wandel: Es muss sich was ändern, also wird sich auch was ändern. Bleibt die Frage, was? Und so sind viele Banken nach wie vor auf irgend eine Art und Weise damit beschäftigt, diese Änderung zu suchen.
Verschiedene Blüten
Diese "Aktivitäten" treiben verschiedene Blüten. Alle in einen Topf zu werfen wäre unseriös und oberflächlich. Auch ist die intrinsische Motivation der einzelnen Akteure unterschiedlich und reicht von persönlicher Inszenierung über die Erschliesslung neuer Ertragsquellen für das Unternehmen bis hin zur Suche nach echtem Mehrwert für die Kunden.
Eng mit dem Thema der Kooperation von FinTechs verbunden ist das Thema Open-Banking. Als Begriff nicht neu und dennoch gibt es keine universelle Definition, was genau unter "Open-Banking" zu verstehen ist und was nicht. Eine vertiefte Auseindersetzung mit der Definition und Abgrenzung würde den Rahmen hier sprengen. Für den vorliegenden Artikel sind aus meiner Sicht zwei Aspekte zur Definition und Abgrenzung wichtig:
- Open-Banking setzt technische Schnittstellen voraus. Sogenannten API (application programming interface). Die gibt es eigentlich fast schon seit die Banken selber Computer-Systeme einsetzen. Im Kontext von "Open-Banking" ist neu und wichtig, dass diese Schnittstellen offen sind. Das heisst, dass sie grundsätzlich jeder nutzen kann (natürlich braucht es zum Schutz der Bank und der Kunden Restriktionen).
Aus Sicht der (europäischen) Regulierung, insb. im Rahmen von PSD2, war und ist natürlich der Bankkunde im Fokus. Ihm, dem Bankkunden, soll das API offen stehen. Er kann somit mit seinen Zugangsdaten Applikationen und Dienste von Dritten verwenden. Bspw. eine App, welche seine Zahlungen schön gruppiert und darstellt. Hier erfolgt "Open-Banking" transparent im Sinne des Wortes. Bietet eine Bank dies ihren Kunden an (in der Schweiz ja nach wie vor freiwillig), dann kann es jeder Kunde nutzen.
Es gibt aber auch eine andere Schiene die unter diesem Begriff geführt wird: Das B2B-Geschäft. Also die Bank kooperiert direkt mit einer Partner-Firma, welche den Kunden der Bank ihre Dienstleistungen anbietet. Z. B. lukrative Devisengeschäfte, 7x24h. Integriert wird dieser Partner über ein "Open-API" und damit nennt man es "Open-Banking". Hier geschieht etwas eine Vermischung der Begriffe. Technisch mag es über die "Open-Banking"-Lösung der Bank erfolgen, einem Open-API. Fachlilch ist es aber nicht ganz so "open", also offen - denn die Bank sucht sich, zu Recht, die Partner natürlich selber aus. Also nicht jede Firma darf dann als Bank-Partner die Anbindung brauchen.
Der Unterschied zwischen dem API für B2C zu B2B liegt vor allem im syntaktischen Zucker des API und der allenfalls verbesserten User-Experience in der B2B-Variante. Als kleines Beispiel: Sie haben einen intelligenten Portfolio-Optimizer, der aber doch rechenintensiv ist. Im B2C-Case à la PSD2 brauchen Sie die Credentials des Bankkunden. Diese laufen (hoffentlich) einmal ab. Sie können also nicht einfach jede Nacht die Portfoliodaten laden, der Bankkunde muss sich zwischendurch immer wieder neu anmelden. Zwischen Ihnen und der Bank gibt es keinen spezifischen Vertrag. Anders bei B2B: Sie haben einen Vertrag mit der Bank und können über ein spezifischeres API jederzeit Batch-mässig die Portfoliodaten laden und vorberechnen. Der Kunde muss nur einmal bspw. im E-Banking der Bank sein Einverständnis geben.
Der B2B-Case ist eigentlich auch nicht neu. Das gab es bereits viele Jahre zuvor. Ein Beispiel sind E-Banking-Agregatoren (Multi-Banking, welches wieder neu belebt wird) oder (damals) praktischere Programme für die Zahlungsverwaltung der Firmenkunden.
Open-Banking umfasst also Teile die durchaus als neu und offen angesehen werden können, aber auch Teile welche eigentlich weder neu noch sonderlich offen sind.
- Open-Banking ist weder "Banking-as-a-Service" noch eine Plattform oder ein Ökosystem. Es kann für das eine oder andere als Grundlage dienen, sollte aber keinesfalls gleichgesetzt werden.
Strategische Überlegungen
Für eine Bank kann eine Open-Banking-Strategie Fluch und Segen sein. Es ist letzlich immer eine Frage, wer am Markt der Stärkere ist.
Gibt es eine Zahlungs-Applikation, welche direkt in Messenger wie WhatsApp oder Telegram integriert sind, ist es für eine Bank natürlich hilfreich, wenn sie über ein (Standard-) Open-API verfügt und ihre Kunden damit in der Lage sind, diese Funktion im Messenger auch mit dem Bankkonto Ihrer Bank zu nutzen. Andernfalls droht Ihnen, dass der Kunde die Bank wechselt zu einem Institut, mit welcher er die Funktion nutzen kann. Sie können in diesem Fall den Kunden halten und gewinnen allenfalls sogar neue Kunden dazu. Lassen Sie die Korken knallen - aber nicht zu früh. Sie halten hier nicht direkt die Kundenschnittstelle unter Ihrer Kontrolle, aber ohne hätten Sie den Kunden womöglich gar nicht. Die Implementierung von Open-API sichert Ihnen Kunden.
Nehmen wir ein anderes Beispiel. Sie ermöglichen einem Partner (B2B) mit Ihren Kunden Geschäfte zu machen. Er bietet Pensionsplanungen online an. Dazu nutzen Sie ein Open-API oder definieren es sogar mit dem Partner für diesen Case. Der Partner ist neu im Markt, Sie sind der Enabler für ihn und bieten Ihren Kunden gleichzeitig einen neuen online Service für Pensionsplanungen an. Win-Win, zumindest vorerst. Durch das Open-API werden Sie nämlich austauschbar. Sie haben die Kundenschnittstelle nicht unter Ihrer Kontrolle und wenn es andere, womöglich grössere Banken gibt die es künftig anbieten, können Sie als Provider auch einfach ersetzt werden. Die Implementierung von Open-API macht Sie austauschbar. In einem Geschäft, dass ohne Sie vielleicht gar nicht von Ihnen fortgegangen wäre.
Überlegen Sie also, wer wann in welchem Markt der Stärkere ist - auch in Zukunft. Als Grundsatz ist das B2C weniger probleamtisch und künftig werden Sie in diesem Bereich auch wenig(er) Wahl haben. Im Bereich B2B müssen Sie auf der Hut sein, insb. in Sachen Digitalisierung. Heute bieten Sie vielleicht auch Pensionsplanungen an. Einfach analog, old school. Wollen Sie dieses Geschäft im Zuge der Digitalisierung via Open-API einen Dritten übergeben, welcher Sie dann austauschen kann? Was wäre der Unterschied, wenn das analoge Geschäft künftig gegen null geht und Sie dadurch Kunden verlieren? In beiden Fällen verlieren Sie Kunden, weil Sie die eigene Digitalisierung verschlafen haben. Die Option mit dem Partner verzögert es ggf. einfach ein wenig.
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie ein Geschäft nicht digitalisieren, wenn Sie es einem Dritten übergeben. Das ist je nach Ausgestaltung ein Outsorucing, ein Verkauf oder schlechtesten Falls ein Verschenken. Setzen Sie also Digitalisierung nicht gleich mit Open-Banking oder Open-API. Das könnte zu einer Strategie führen, welche für Sie mittel oder langfristig nicht nur von Vorteil ist.
Möglichkeiten
Sie müssen immer wieder abwägen, wo Sie wie die Kundenschnittstelle halten können. Oder wenn es nicht geht, wie Sie wie partizipieren können. Gerade im Bereich B2B lohnt sich die Überlegung einer (Kunden-) Plattform. Gemeint ist damit, dass die Dienstleistung des Partners mit Ihren Kunden nur über Ihre Plattform möglich ist. Der Kunde muss sich dazu bspw. in Ihrem E-Banking befinden. Der Partner muss sich entsprechend integrieren können. Diese Exklusivität kann technisch (von Vorteil) und/oder vertraglich erreicht werden. Für den Kunden hat es zudem einen besseren Wiedererkennungseffekt und je nach Umsetzung eine generell bessere User Experience. Klar, dies ist technisch eine grössere Herausforderung, insb. auch bezüglich der Security, als wenn Ihr Kunde die neue Pensionsberatung direkt nur auf dem Portal/Applikation Ihres Partners macht. Zwischen einer vollen Integration und nur einer Authentifikations-Integration gibt es natürlich Handlungsoptionen. Jede ist technisch Aufwändiger und entsprechend teurer, als die blosse Nutzung eines API durch den Partner, ohne weitere Integration. Aber denken Sie dazu nicht zu kurfristig und scheuen Sie nicht per se Mehrkosten. Schliesslich geht es um die Umsetzung einer langfristigen Strategie, wie Ihre Bank nicht zum nächsten Nokia-Fall wird. Mit halbherzigen Entscheidungen wird das kaum aktiv gelingen.
Buzzwords
Es kursieren verschiedene Buzzwords: Open-Banking, Open-API, Digitalisierung, Banking-as-a-Service, Banking-Plattform und wie sie alle heissen. Lassen Sie sich da nicht in eine Ecke drängen. Auch in der heutigen Zeit der schnellen (technischen) Änderungen gelten bewährte Grundsätze von strategischen Überlegungen und betriebswirtschaftlichen Fakten.
Seien Sie sich bewusst, wem das Geschäfts gehört, oder in welchen Teilen eines Prozesses Sie aktuell eine Wertschöpfung erzeugen. Machen Sie sich ein klares Bild darüber, welche Kontrolle Sie heute haben und welche Kontrolle Sie in einem künftigen Modell besitzen. Versuchen Sie zu analysieren, mit welcher Wahrscheinlichkeit Sie in der jetzigen Konstellation netto Kunden verlieren werden und wie es im neuen Modell ausschaut. Sie müssen das Business-Modell verstehen. Ihr jetziges, künftiges und vor allem auch jenes eines Partners. Das Business-Modell muss plausibel sein und zeigen, wer wo wie Geld verdient. Klar, es ist nur ein Modell. Wenn Sie aber schon im Modell sehen, dass Sie eigentlich Ihren Partner subventionieren, sollten Sie wissen was die Gegenleistung ist und wie Sie sich absichern können. Bleiben Sie skeptisch, wenn ein Business-Modell eines Partners, an den Sie Geschäfte auslagern oder gar verschenken wollen, nur mit Ihrem Goodwill funktioniert. Diesen Goodwill in Form von kostenlosen Kundenvermittlungen oder nicht marktüblichen Preisen für Dienstleistungen die Sie anbieten, müssen Sie irgendwie bewerten und wieder wettmachen können. Wenn das schon im Modell nicht aufgeht, wird es in der Realtität wohl noch schwieriger.
Zu guter Letzt
Wenn Sie eine neue Software evaluieren oder einfach überlegen, (Teil-) Prozesse auszulagern, tun Sie es als das was es ist. Eine Software-Evaluation oder ein Outsourcing-Projekt. Es spielt keine Rolle, ob der dafür in Frage kommende Partner sich selber FinTech, StartUp oder XTech nennt. Auch nicht ob Sie dafür letztlich Teile Ihrer Open-API-Infrastruktur brauchen oder nicht. Erstellen Sie saubere Evaluations-Kriterien, machen Sie defensive Kalkulationen und schauen Sie für eine fundierte Vertragsgrundlage. Open-Banking machen Sie, wenn Sie, abgesehen von ein paar allgemeinen grundsätzlichen Kriterien, keinen Einfluss darauf nehmen, wer letzlich technisch mit Ihnen interagiert. Eine Banking-Plattform können Sie je nach Marktmacht auch ohne Open-Banking machen, das eine ist nicht zwingend Voraussetzung für das andere.