Donnerstag, 10. Oktober 2013

Die Hauptaufgaben der Banken: Für IT- und Compliance-Akteure

Dies ist für einmal kein Compliance- und auch kein IT-Blog-Eintrag. Immer wieder stelle ich fest, dass IT- und Compliance-Akteuren (letztere vor allem mit rein juristischem Hintergrund) bei Banken das Grundverständnis vom „Banksystem“ fehlt. Hier ein Zusammenzug meinen Erklärungen zum Thema Hauptaufgaben der Banken (natürlich braucht es zum Verständnis vom "Banksystem" auch noch andere Themen. Die Hauptaufgaben sind m.E. aber ein guter Anfang).

Die Banken haben drei volkswirtschaftliche Aufgaben, welche sie wahrnehmen. Dabei gilt es zu bedenken, dass es nicht so war, dass die Volkswirtschaft diese Aufgaben identifiziert und dann den Banken übertragen hat. Sie sind vielmehr Teil vom Geschäftsmodell der Banken, welche für eine Volkswirtschaft nützlich sind. Diese drei Hauptaufgaben sind:

  • Wertaufbewahrung
  • Wertübertragung
  • Buchgeldschöpfung (Kreditvergabe)

Wertaufbewahrung

Diese Dienstleistung ist einfach verständlich. Sie oder ich bringen Vermögen in Form von Wertsachen zur Bank und die Bank bewahrt diese sicher auf. Bei Wertsachen kann es sich um ganz verschiedene Dinge handeln: Bargeld, Fremdwährungen, Wertpapiere wie Aktien, Obligationen etc. aber auch Edelmetalle wie Gold und Silber.

Wertübertragung

Unter diese Dienstleistung fällt bspw. der ganze Zahlungsverkehr. Beim Zahlungsverkehr werden Werte von A auf/nach B übertragen. Die Bank begleicht mit dem Guthaben (Wertaufbewahrung) eines Kunde eine Rechnung für einen Handwerker bei derselben oder einer anderen Bank. Auch die Debit- und Kreditkarten gehören zur Zahlungserleichterung, wobei die Kreditkarten meist nicht direkt von den Banken herausgegeben werden. Weiter fallen auch Wertpapierübertragungen darunter (Übertragen, Einlieferungen von Aktien bspw.).

Buchgeldschöpfung (Kreditvergabe)

Dies ist der schwierigste Teil. Fälschlicherweise wird manchmal „Transformation“ (Fristentransformation, Losgrössentransformation, Risikotransformation) als dritte Hauptaufgabe gelehrt. Dies dient nicht gerade dem Verständnis. Denn transformiert wird nichts bei diesem Geschäft (die Fristen muss die Bank managen, nicht transformieren, denn sie bleiben für beide Seiten gleich. Die Losgrösse spielt keine direkte Rolle und das Risiko wird nicht transformiert, sondern die Bank geht bei dem Geschäft ganz einfach ein neues Risiko ein). Ebenfalls fälschlicherweise wird ab und zu gelehrt, dass die Banken durch den Geldschöpfungsmultiplikator Geld schöpfen. Diesen Geldschöpfungsmultiplikator gibt es so aber nicht (die Bank leiht nicht direkt das einbezahlte Geld der Kunden aus; das sind zwei verschiedene Geschäftsfälle). Doch jetzt alles der Reihe nach.

Buchgeldschöpfung: Kredite ohne Kundengelder?

Können Banken Kredite vergeben, wenn Sie keine Kundengelder haben? Ja, das können sie. Denn die Banken verleihen für den Kredit nicht die Kundengelder, sie schöpfen das notwendige Buchgeld für den Kredit. In einem ersten Schritt sind für die Kreditvergabe keine Kundengelder notwendig. Je nach dem sind (theoretisch) gar keine Kundengelder notwendig. Das Geschäft der Kundengelder (Passivgeschäft) hat keinen direkten, nur einen indirekten Zusammenhang mit dem Geschäft der Kredite (wie wir noch sehen werden). Schauen wir uns dafür den Buchungssatz für einen Kredit an. Nehmen wir an, wir vergeben einen Betriebskredit von 100'000. Der Buchungssatz dafür lautet: Betriebskredite / Kundengelder 100'000. Die Bankbilanz (sehr vereinfacht, ohne EK etc.) sieht jetzt wie folgt aus:


Der Betriebskredit (Betriebskredite) ist die Sicherheit, welche wir (hoffentlich) erhalten haben. Aus dieser Sicherheit haben wir Buchgeld (Kundengelder) „geschöpft“. Ganz wichtig ist die Erkenntnis, dass die Buchgeldschöpfung aus Sicht des „Schöpfers“, der Bank, immer eine Schuld (Passivseite) ist. Die Bank kann also keine Vermögen aus dem Nichts schöpfen, aber aus Verwertbaren Aktiven (in unserem Fall die Sicherheit des Betriebskredits) kann sie Schulden „schöpfen“. Ebenfalls eine wichtige Erkenntnis ist die, dass man der Position „Kundengelder“ nicht ansieht, ob diese Position entstanden ist, weil jemand Bargeld zur Bank gebracht hat (Einzahlung -> Wertaufbewahrung) oder ob eben jemand einen Kredit ausbezahlt erhalten hat.
Gehen wir einen Schritt weiter. Mit dem Betriebskredit will der Kreditnehmer nun eine Rechnung bezahlten (der Einfachheit halber nur eine). Er bezahlt eine Rechnung an die Baufirma im Dorf. Diese hat ebenfalls ein Konto bei unserer Bank. Wie sieht der Buchungssatz für diese Wertübertragung aus? Kundengelder (Konto A) / Kundengelder (Konto B). Die Bilanz sieht nach wie vor gleich aus:
 

Fassen wir zusammen:

Wir haben gestützt auf Sicherheiten mit dem Buchungssatz Betriebskredite / Kundengelder Buchgeld geschöpft. Dies sind aus Sicht der Bank Schulden. Mit dem Guthaben, aus Sicht des Kreditnehmers, hat die Bank für den Kunden eine Handwerker-Rechnung (Baufirma) bezahlt. Wir haben ohne Kundengelder einen Kredit ausbezahlt und damit eine Rechnung eines Dritten (bei der gleichen Bank) bezahlt.

Für was braucht es dann Kundengelder?

Ja für was braucht eine Bank dann Kundengelder, nebst der Hauptaufgabe der Wertaufbewahrung? Ändern wir unser Beispiel ab. Die Baufirma ist leider nicht Kunde unserer Bank. Sie hat das Konto bei einer anderen Bank. Wie lautet nun der Buchungssatz? In dem Moment kommt das Girokonto bei der SNB ins Spiel. Dieses können wir belasten und jenes der anderen Bank gutschreiben. So können wir einfach Geld von A nach B übertragen (für Auslandzahlungen brauchen wir dafür eine Korrespondenzbank, bei welcher wir ein Konto haben). Nur wie kommt Geld auf das Girokonto bei der SNB? Jetzt brauchen wir Kundengelder. Machen wir eine Bareinzahlung eines Kunden bei unserer Bank. Der Buchungssatz lautet: Kassa / Kundengelder 100'000 (ich weiss, auch Sicht Compliance sollte man nicht 100'000 bar einzahlen ...). Unserer Bilanz sieht nun wie folgt aus:
 

Sehen Sie: Wir haben einen Kredit ausbezahlt, das einbezahlte Geld des Kunden (100'000) ist aber immer noch in der Kasse. Wir haben den Kredit also nicht mit den einbezahlten 100'000 ausbezahlt. Nun müssen wir das Bargeld mit dem Geldtransporter der SNB senden. Diese schreibt es dann unserem Girokonto gut: Giro-SNB / Kassa. Unsere Bilanz sieht nun wie folgt aus:
 
 
Jetzt können wir die SNB anweisen, die 100'000 unserem Giro-Konto zu belasten und der anderen Bank gut zu schreiben (diese schreibt es dann wiederum ihrem Kunden gut). Kundengelder / Giro-SNB 100'000. Unsere Bilanz sieht nun wie folgt aus:

 
Die 100'000 bei den Kundengeldern gehören unserem Kunden, welcher diese Bar einbezahlt hat.
 
Kleiner Exkurs: Wenn die SNB unsere Sicherheit für den Betriebskredit ebenalls als Sicherheit akzeptieren würde, so bräuchten wir nicht einmal für den Fall, dass das Geld die Bank verlässt (Bar oder per Vergütung, innerhalb der Schweiz), Kundengelder. Wir würden in dem Fall der SNB einen Teil der Sicherheit des Betriebskredits abtreten. Der Buchungssatz aus Sicht der Bank lautete dann: Giro-SNB / Betriebskredit (Aktiv-Tausch). Aus Sicht der SNB: Sicherheiten von Banken / Giro-Verpflichtungen. Dies macht die SNB aber nicht (und wäre im Falle von Betriebskredite abwickungstechnisch auch sehr schwierig). In den USA macht das FED (Federal Reserve System)  dies teilweise mit verbrieften Hypotheken (Mortgage Backed Securities). Bei der Rettung der UBS hat die SNB in der Bad-Bank ebenfalls solche Papiere angenommen.

Fassen wir zusammen:

Eine Bank kann Buchgeld schöpfen und damit innerhalb der eigenen Bilanz auch bspw. Rechnungen von Dritten bezahlen. Muss das Geld aber die Bank verlassen (in Bar oder elektronisch), so muss die Bank für Bartransaktionen die Noten in der Kasse, oder bei Inlandzahlungen Giro-Guthaben bei der SNB oder für Auslandzahlungen Guthaben bei einer anderen Bank haben. Sowohl die Noten wie auch die Guthaben bei anderen Banken (inkl. SNB) kann die Bank nicht selber schöpfen. Das wiederum kann jeweils nur die andere Bank (im Falle von Bargeld nur die SNB). In dem wir der anderen Bank Aktiven (CHF in Noten, Devisen, Wertschriften, Edelmetalle etc.) verkaufen, erhalten wir im Gegenzug Giro-Guthaben (oder auch Noten im Falle der SNB). Eine Gute Möglichkeit Aktiven zu beschaffen, sind die Kundengelder. Die Kunden geben uns Aktiven (meist Bargeld oder Buchgeld inkl. Devisen, aber auch Edelmetalle etc.) und wir machen daraus Buchgeld als „Schuldschein“ für diesen Kunden und geben die Aktiven dann der anderen Bank weiter. Diese wiederum schöpft für uns daraus Giro-Guthaben.

Müssen Kredite zu 100 % mit Kundengelder gedeckt sein?

Nein, müssen sie nicht. Zum einen kann sich eine Bank auch anders Refinanzieren (Aktiven beschaffen, wie gesagt vielleicht in einem nächsten Bog-Beitrag), bspw. durch eigene Anleihen oder Geldmarktpapiere. Zum anderen hängt es auch vom Management der Risiken und insb. der Liquidität ab. Passen wir unser Beispiel an: Der Kreditnehmer hat nun zwei Rechnungen à 50'000. Ein Rechnungssteller ist Kunde unserer Bank, der andere nicht. Wie viele Kundengelde brauchen wir? Richtig: 50'000. Nur für die Rechnung welche die Bankbilanz verlässt, brauchen wir zusätzliche verwertbare Aktiven (d.h. müssen wir uns Refinanzieren). In unserem „Mini-Fall“ können wir also mit 50'000 Fremdkapital einen Kredit von 100'000 gewähren.

Kann eine Bank unendlich Buchgeld schöpfen?

Nein. Das ist mir grossen Risiken verbunden und gesetzlich und regulatorisch auf verschiedene Arten eingeschränkt. Die bekannteste Regulierung in diesem Bereich ist sicher Basel III. Zum einen muss eine Bank genügend Eigenkapital haben und zum anderen braucht es auch gewisse Verhältnisse von Krediten zu verwertbaren Aktiven. Weiter müssen Banken sogenannte ALM-Systeme (Asset & Liability-Systeme) haben und betreiben. Mit solchen Systemen wird die Bilanzstruktur punkto Zins- und Kapitalbindung analysiert. Dadurch lässt sich erkennen, ob eine Bank in Zukunft ein Problem mit den Fristigkeiten (zu wenig fällige Kredite um Abfliessende Passiven befriedigen zu können) oder der Ertragssituation hat (tiefe langfristige Kredite und potentiell hohe kurzfrsitige Passiven). Weiter gibt es auch Vorschriften, welche Sicherheiten (bspw. für Hypotheken, Lombard- oder Konsumkredite) eine Bank braucht für die Kreditvergabe. Nicht zu unterschätzen sind auch die Liquiditätsvorschriften der SNB (etwas verwirrend als Mindesreserven bezeichnet). Zurzeit müssen die Banken 4 % der kurzfristigen Verbindlichkeiten bei der SNB flüssig haben. Da nicht alle Sicherheiten der SNB abgetreten werden können (siehe Exkurs oben), muss diese Liquidität mit Kundengelder oder Gelder vom Geldmarkt sichergestellt werden. Die schränkt die Möglichkeit der Buchgeldschöpfung ebenfalls ein.

Was ist mit der goldenen Bilanzregel?

Die goldene Bilanzregel besagt, dass das langfristige Vermögen auch langfristig finanziert sein soll. Kurzfristiges Vermögen kann dagegen auch kurzfristig finanziert sein (muss es aber nicht). Diese Regel gilt auch für Banken. Aber Achtung: Wie wir gesehen haben, werden die Kredite (für die Bank Vermögen, da auf der Aktivseite) nicht direkt mit den Kundeneinlagen (Passiven) finanziert. Die goldene Bilanzregel kann daher auf diese Vermögen nicht angewendet werden. Für dieses Geschäftsmodell braucht es eben Methoden zum Management, wie sie in modernen ALM-Systeme zum Einsatz kommen. Die goldene Bilanzregel gilt für die „normalen“ Aktiven der Bank (die Bank kauft sich selber eine Immobilie oder beschafft eine neue IT etc.).

Was sagt der Kundendeckungsgrad aus?

Der Kundendeckungsgrad (auch Kundenausleihungsdeckungsgrad) ist eine Kennzahl, welche das Verhältnis von Krediten (Aktiven) zu den Kundengeldern (Passiven) ausdrückt. Einen Kundendeckungsgrad von 100 % besagt also, dass es genau gleiche viele (hohe) Ausleihungen gibt wie die Bank Kundengelder entgegen genommen hat. Die Kennzahl wird häufig verwendet (wahrscheinlich weil sie sehr einfach berechnet werden kann), die Aussagekraft ist aber nur beschränkt. Um diese Kennzahl richtig interpretieren zu können, braucht es zwei weitere Informationen: 1) Wie viele der Ausleihungen haben die Bank verlassen (für diese brauchen wir ja verwertbare Aktiven) und 2) wie ist die Fälligkeitsstruktur der Bilanz. Je nachdem kann eine Bank mit einem Deckungsgrad von über 100 % höhere Bilanzrisiken haben als eine Bank mit einem Deckungsgrad unter 100 %. Auf Grund der Grösse könnte man argumentieren, dass bei Grossbanken die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass Kredite innerhalb der Bank bleiben (Geldempfänger aus Kreditschöpfung ist bei derselben Bank) als bei einer kleinen Bank. Somit bräuchten Grossbanken einen kleineren Deckungsgrad als kleine Banken. Die Realität sieht aber anders aus. Regionalbanken haben einen Deckungsgrad so zwischen 85 und 95 % (nur wenige darüber), während die Grossbanken einen Deckungsgrad von über 100 % haben. Ich vermute, dass diese Tatsache u.a. gerade darauf zurückzuführen ist, dass bei Grossbanken weniger Kredite die Bank verlassen. Diese bleiben also auch nach der Auszahlung auf der Passivseite der Bank (einfach bei einem anderen Kunden) und zählen somit zu den Kundengeldern. Wie bereits einmal erwähnt, sieht man den Kundengeldern nicht an, ob diese aus einer Buchgeldschöpfung der Bank herrühren, oder effektiv einmal von aussen (Bar oder Giro über eine andere Bank) einbezahlt worden sind. Die Kennzahl beisst sich also gewisser Massen ein wenig in den Schwanz, was eine korrekte Interpretation praktisch unmöglich macht.

Wie verdient eine Bank ihr Geld damit?

Wertaufbewahrung:
Bei der Wertaufbewahrung gilt es zu unterscheiden zwischen Geld (Bargeld und Buchgeld) und anderen Wertsachen. Da die Bank Kundengelder (Geld von Kunden) braucht um Kredite zu Refinanzieren welche die Bank verlassen, verdient die Bank an diesen Geldern nichts. Im Gegenteil, die Bank bezahlt den Kunden Geld in Form von Zinsen, damit sie ihr diese Gelder zur Verfügung stellen. Bei allen anderen Wertsachen welche die Bank zur Aufbewahrung annimmt, muss der Kunde (in aller Regel) eine Gebühr bezahlen. Für Wertpapiere die in ein Depot gebucht werden können sind dies Depotgebühren (meist ein Promilsatz des Depotwertes) für ein Bankschliessfach (Banksafe) eine Schliessfachgebühr (meist pro Grösse/Volumen und Standort). Dazu gibt es weitere Gebühren, wie bspw. Einlieferungsgebühren etc. Die Einnahmen aus Wertaufbewahrung zählen zum Indifferenten Ertrag.
Wertübertragung:
Bei der Wertübertragung des Zahlungsverkehrs (CHF oder Devisen übertragen) gibt es Zahlungsverkehrsgebühren. Diese sind meist pro Zahlung und abhängig von der Art. Dabei gibt es verschiedene Modelle, wer die Gebühren bezahlen muss. Bei Posteinzahlungen zahlt der Empfänger, bei normalen Inlandzahlungen der Sender (Auftraggeber). Bei Zahlungssystemen wie SEPA kann auch eine Gebührenteilung gemacht werden. Bei Karten sind es Jahresgebühren und zusätzliche Gebühren pro Transaktion. Hier gibt es auch verschiedene Gebührenmodelle. Es ist festzuhalten, dass der Zahlungsverkehr in der Regel unter dem Strich keinen grossen Gewinn abwirft. Er muss vor allem Kostendeckend erbracht werden können. Bei der Wertübertragung von Wertpapieren sieht dies schon anders aus. Wertpapiere werden heute meist über Börsen gehandelt. Die Wertübertragung entsteht somit aus der Zusammenarbeit der Börsen mit den Banken. Die Banken verlangen für jede solche Transaktion Gebühren (sog. Courtagen). Diese sind Abhängig von Wertpapierart und Volumen/Wert. An der Wertübertragung von Wertschriften verdienen die Banken Geld.
Buchgeldschöpfung (Kreditvergabe):
Bei der Kreditvergabe verdienen die Banken Ihr Geld in Form von Schuldzinsen, welche die Kreditnehmer bezahlen. Die Bruttoerträge aus diesem Geschäfts sind recht hoch. Allerdings haben wir gesehen, dass die Banken für dieses Geschäftsmodell u.a. Kundengelder brauchen (Wertaufbewahrung), für welche sie aber bezahlen müssen (Passivzinsen). Die Differenz zwischen dem verlangten Kreditzins und dem bezahlten Passivzins nennt man Zinsmarge. Zurzeit ist diese nicht besonders gross, da dass allgemeine Zinsniveau sehr tief ist.

Dienstag, 13. August 2013

MIS: Nützliches Instrument mit Gefahrenpotential


Quelle: Wikipedia
Ein Management-Informations-System, kurz MIS, ist heute aus vielen mittleren und vor allem grösseren und grossen Firmen kaum mehr wegzudenken. Viele die eines haben, schwören darauf. Viele die keines haben, möchten gerne eines. Nun gut, Informationen sind ja immer gut – denkt man zumeist. Kritische Stimmen gegen MIS-Systeme (MI-Systeme wirkt irgendwie unbekannt) haben es schwer. Denn diese verstehen es eben nicht.

Ich persönlich finde solche Informationssysteme grundsätzlich gut und notwendig. Aber bei der Umsetzung gibt es aus meiner Sicht grosse Unterschiede und viele Irrtümer. In diesem Blog möchte ich kurz auf drei generelle Probleme von MIS-Systemen, wie sie meist umgesetzt sind, hinweisen.

Punkt 1: Mehr Informationen sind nicht immer besser
Das Problem von Informationen ist, dass wir uns auf Grund von Informationen, die meist immer noch unvollständig sind, ein Gesamtbild „malen“. Wir erfinden dazu eine Theorie, einen Grund weshalb und wieso. Und schlimmer noch, eine Zukunftssicht. Wenn wir nun täglich Kennzahlen ansehen, dann werden wir relativ bald zu diesen Kennzahlen solche Theorien und Annahmen treffen. Dabei passiert folgendes: Passt die Kennzahl am nächsten Tag zu unserer Theorie, bekräftigt uns dies. Passt die Kennzahl einmal nicht dazu, dann tun wir uns schwer damit und werden sehr lange, häufig zu lange, Erklärungen und Begründungen dafür suchen. Hätten wir die Kennzahl bspw. nur monatlich gesehen, wären wir vielleicht direkt, und daher schneller, auf die richtige Theorie gestossen. In einem solchen Szenario ist die „Mehrinformation“ in Form von kurzen Zeitintervallen eben nicht nützlich. Für einen Day-Trader mögen sekundenschnelle Informationen einen Wert haben. Für eine Management-Strategie sind wesentlich grössere Intervalle zu bevorzugen.
Empfehlung: Ein MIS sollte nicht dazu verwendet werden, dass sich ein (hoher) Manager täglich irgendwelche Kennzahlen anschaut. Diese „Mehrinformation“ kann schädlich sein für seine geistige Flexibilität. Meine Erfahrung ist, dass in MIS-Projekten der Wichtigkeit der Informationsintervalle zu wenig Beachtung geschenkt wird. Es ist eine Nebensache. Die Software kann ja jedes beliebige Intervall anzeigen. Aber um die Software geht es in diesem Aspekt gar nicht.

Punkt 2: Balanced Score Cards und Information Boards etc. können zu einem Tunnelblick führen
Indem man sich stark auf die immer gleichen Kennzahlen konzentriert, erhöht sich das Risiko das man andere Faktoren ausser Acht lässt. Das Problem dabei ist unter anderem, dass eine nützliche Kennzahl für das letzte Problem, wahrscheinlich weniger nützlich ist für das nächste. Es ist nicht möglich, alle Faktoren auf eine Balanced Score Card zu bringen. Der Sinn liegt ja u.a. auch darin, dem Management einen Überblick zu verschaffen.
Empfehlung: Eine Management-Übersicht sollte nicht immer exakt gleich aussehen. Ich bin mir bewusst, dass Manager genau das wollen: Es muss immer identisch sein, damit sie sich schnell einen Überblick verschaffen können. Dabei ist gerade dieser „Überblick“ über bekannte und zu erwartende Informationen trügerisch. Eine Übersicht, die nicht immer gleich angeordnet ist und zwischendurch auch andere Kennzahlen zeigt, fördert meiner Ansicht nach die guten Tugenden von guten Führungspersonen wesentlich besser. Man muss kurz nachdenken. Die eine oder andere neue Kennzahl macht vielleicht auch Neugierig. Und genau das braucht es.

Punkt 3: Falsche Sicherheit von sich bestätigenden Kennzahlen (Truthahn-Problem)
Das Truthahn-Problem ist ein oft bemühtes Motiv. Aber deshalb nicht weniger hilfreich. Ein Truthahn wird sagen wir Mal 1‘000 Tage von Menschen gefüttert. Bereits nach 20 Tage dürfte es für einen Truthahn normal sein, dass die Menschen liebe Wesen sind, deren Aufgabe es ist, Truthähne zu füttern. Jeder Tag mehr bestätigt ihn in seiner Theorie. Am 1‘001 Tag landet er dann wohl genährt auf dem Teller. Die Metapher können wir auf Kennzahlen übertragen. Was ist der Nutzen, wenn ein Manager mehrere hundert oder gar tausend Tage lang sieht, dass die Limite X eingehalten ist, oder dass das Cost Income Ratio unter 50 liegt? Im schlimmsten Fall ist seine Theorie die, dass diese Zahlen Beleg dafür sind, dass seine Strategie die beste ist (wobei es wahrscheinlich keinen Beweis für diese Kausalität gibt) . Er wird seine Strategie an allen Vorträgen und Gesprächen erläutern und mit solchen Zahlen unterlegen. Bis am Tag Y die Limite nicht mehr eingehalten ist oder das Cost Income Ratio plötzlich über 50 liegt. Das Problem ist ganz einfach: Aus solchen sich wiederholenden Zahlenreihen lässt sich einfach nichts für die Zukunft herauslesen. Die Aussagekraft ist auf die Vergangenheit beschränkt. Sie können solche Zahlen in einem Revisionsbericht oder jährlichen Performance-Bericht aufschreiben. Aber als Führungskennzahl für eine Führungskraft, welche Entscheidungen für die Zukunft fällen muss, müssen solche Zahlen kritisch hinterfragt werden.
Empfehlung: Ein MIS sollte Informationen und Kennzahlen liefern, welche sich massgeblich verändert haben oder viel besser noch, solche die sich wahrscheinlich in nächster Zeit verändern werden. Dadurch bleibt die Sensibilität für Veränderungen, Gefahren und Chancen vorhanden. Die natürlichen Instinkte von guten Führungskräften werden gefördert und nicht abgestumpft.

Konklusion
Das Management braucht ein Führungswerkzeug, welches die guten Tugenden von Führungskräften stärkt. Statische Kennzahlen der Vergangenheit, in kurzen Intervallen, gehören nicht dazu. Eine Software ist dann fertig, wenn sie niemand mehr braucht. Diese Erkenntnis trifft stark auf MIS-Systeme zu. Man muss sie brauchen können um neue Erkenntnisse zu gewinnen – sonst werden sie früher oder später wertlos. Oder gar gefährlich. Dazu gehört, dass ein solches System gelebt, gehegt und gepflegt wird. Und dabei ist es durchaus erlaubt, auch einmal die eine oder andere Kennzahl wieder zu entfernen. Es müssen nicht stetig mehr sein um den Anschein zu erwecken, das Werkzeug wäre dadurch immer mehr Wert.